Sportlich ausgebremst. Doch die Euphorie und der Kampfgeist sind ungebrochen!

Die Ambitionen am Morgen des vergangenen Samstags waren ebenso gross wie die Ernüchterung am Abend. Nach dem fulminanten Auftakt der WAB-Premieren-Mannschaft vor 14 Tagen, musste das Newcomer-Team aus Bern anerkennen, dass der Erfahrungsvorsprung der Kontrahenten etwas zu schwer wog. Trotz der Niederlagen reisten keine Verlierer aus Thalheim ab. Die Moral und der Zusammenhalt im jungen Team sind beispielhaft und allein schon ein Sieg für den noch jungen Verein.  

"Sieger sind die, die heute ihr ganzes Herz auf die Matte gelegt, alles gegeben haben, nach der Niederlage wieder aufstehen und jetzt der nächsten Herausforderung entgegenlachen." begann Team Manager Robin Pietschmann seine Ansprache, nachdem die Mannschaft den Teambus zur Rückfahrt nach Bern bestiegen hatte. Mit einer gewissen Portion Enttäuschung über den sportlichen Verlauf des Tages, doch moralisch ungebrochen, musste die junge WAB-Mannschaft diese Rückfahrt als Gruppendritter der West-Konkurrenz des WINFORCE CUP 2020 antreten und damit langsam akzeptieren, dass die Qualifikation für die Halbfinals gescheitert war. Der Auftakt vor 14 Tagen mit zwei Siegen über je beide der Kontrahenten, hatte die Vorbereitung auf diesen Wettkampftag vom Ziel geprägt, sogar nach der Tabellenspitze zu greifen. Das dazu ein perfekter Tag für die Wrestling Academy Bern mit einem eher schwächeren Tag der Mannschaften des CO Domdidier und des NRC Thalheim zusammenkommen mussten, war klar. Leider hatte dieser Samstag genau umgekehrte Vorzeichen vorgesehen. 

 

Der CO Domdidier, der nach der letzten Saison sogar aufstiegsberechtigt in die Nationalliga B gewesen wäre und der Absteiger aus der Nationalliga B der letzten Saison NRC Thalheim, liessen von Beginn an keinen Zweifel aufkommen, dass sie die nominalen Kräfteverhältnis auch auf dem Tableau wieder herstellen wollten. Besonders der CO Domdidier stand erheblich unter Druck, da sie ohne Sieg und nur mit einem Punkt aus dem Unentschieden gegen die WAB mit vier Punkten Rückstand in die zweite Qualifikationsrunde starteten. Diese Ausgangslage war gleichzeitig auch die vielleicht in den Köpfen etwas zu hoch eingeschätzte Sicherheit der WAB, das ein Sieg gegen den CO Domdidier ausreichen würde, um die Halbfinalqualifikation unter Dach und Fach zu bringen. Doch wie der Sport schon sehr oft gelehrt hat: Jeder Match muss erst gerungen werden und angeschlagene Gegner sind besonders gefährlich. Der fast schon paradoxe Abschluss dieses Fazits: Die starke Mannschaftsaufstellung des CO-Domdidier kann als Verdienst der starken WAB-Equipe aus der ersten Qualifikationsrunde verbucht werden. 

 

Starke Einzelleistungen der WAB-Equipe werden von der kollektiven Mannschaftsroutine des CO Domdidier und des NRC Thalheim neutralisiert. 

Der erste Blick auf die Ergebnisblätter offenbart recht eindeutige Ergebnisse zu Ungunsten der WAB. Bei näherer Betrachtung wird jedoch deutlich, was auch das Publikum gestern in der Halle sehen konnte. Entschlossene und gute Leistungen der WAB-Athletinnen und Athleten wurden nicht immer mit Siegen belohnt, sorgten jedoch für attraktiven Ringsport. Die erfolgreiche Trainingsarbeit der zumeist noch unerfahrenen Berner Ringer blitzte mehr als nur einmal auf.  

 

Mehrere Highlights in den unteren Gewichtsklassen

Ein besonderes Highlight war gleich die erste Begegnung des Tages im Gewicht bis 52kg. Hier traf die WAB Cheftrainerin Nadine Pietschmann im Generationenduell auf die amtierende Kadetten Vize-Europameisterin Svenja Jungo - ein Transfer der Ringerstaffel Sense. Sekunden vor dem Pausenpfiff gelang Nadine Pietschmann dabei beinahe der Schultersieg. Nur der Pausengong rettete die junge Athletin in Diensten von Domdidier vor der Niederlage. Auch der weitere Kampfverlauf hielt Dramatik bereit: Bis wenige Sekunden vor Schluss konnte die routinierte Ringerin in den Berner Farben einen knappen Punktevorsprung halten und die 2:1 Führung für die WAB-Equipe war fast schon verbucht, als Svenja Jungo zu einem finalen Angriff ansetze und die entscheidende Punktewertung zum 5:6 Punktesieg für Domdidier erzielte. Das sich genau dieses Szenario im Rückrundenkampf - dann im griechisch-römischen Stil - wiederholen würde, ist nur ein Beleg für die Dramaturgie dieses Wettkampftages. Gegen Sascha Wülser konnte Nadine ihre ganze Routine ausspielen und ihn durch eine Serie von Beinschrauben schon vor dem Pausenpfiff auspunkten. 

 

Als Punktegarant in der Gewichtsklasse bis 57kg entpuppte sich Ilyas Ayar. Trotz seiner noch nicht ganz ausgeheilten Fingerverletzung, nahm er sein ganzes Kämpferherz in die Hand und erzielte in allen vier Duellen eine 4:0 Wertung für die WAB. Mit insgesamt 16 Mannschaftspunkten ist Ilyas dank seiner zwei Schultersiege, einem Sieg durch technische Überlegenheit und einem Aufgabesieg, der Matchwinner des Wettkampftages. Auch wenn der Fokus stets auf dem Mannschaftsergebnis liegt, darf und muss doch erwähnt werden, dass Ilyas damit 1/3 der gesamten Mannschaftspunkte für die WAB erringen konnte. Eine beachtliche Leistung. 

 

Eine besondere Erwähnung gebührt auch Robert Harrer. Er stellte sich sehr kurzfristig im Gewicht bis 61kg zur Verfügung. Um sein exaktes Alter nicht plump zu erwähnen sei festgehalten, dass seine Gewichtsklasse in etwa auch seiner Altersklasse entspricht. In zwei beherzten Duellen gegen den langjährigen Routinier Roland Ruch (CO Domdidier) und Samiullah Ahmodzai (NRC Thalheim) errang er jeweils sensationell einen Mannschaftspunkt. Den grossen Bogen der Altersspanne in der WAB-Aufstellung schloss im Gewicht bis 52kg Perisa Buchmann ab. Die Jungringerin, die erst vor wenigen Monaten ins Aktiv-Team aufgestiegen ist, zeigte gegen Sascha Wülser vom NRC Thalheim eine mutige Leistung, auch wenn sie die Schulterniederlage am Ende - trotz langer Gegenwehr - nicht verhindern konnte. 

 

Hochstehende Duelle in den mittleren Gewichtsklassen

Wenn der amtierende Kadetten Vize-Schweizermeister Jonas Schwaller - Transfer der Ringerstaffel Sense in Diensten des CO Domdidier - auf den durchtrainierten Dominik Rothen der WAB-Equipe trifft, fragt sich der neutrale Betrachter zu Recht, ob es sich wirklich um einen Wettbewerb auf dem Niveau der 1. Liga handelt. Gleiches gilt für die Begegnung Jan Faller (WAB) gegen Manuel Jakob (CO Domdidier). Das beide Duelle zu Gunsten der WAB ausfallen zeigt, mit welcher Qualität und welchem Kampfgeist die beiden Berner Athleten diese Herausforderungen angenommen haben. Auch wenn beide in ihren darauffolgenden Begegnungen gegen den NRC Thalheim knappe Punkteniederlagen hinnehmen mussten, wiegen diese beiden Siege in der positiven emotionalen Gesamtbilanz deutlich schwerer.  

 

Wie stark der junge Jonas Schwaller einzuschätzen ist, musste im zweiten Duell gegen den CO Domdidier auch Morteza "Muri" Bahrami erfahren. In einem hochstehenden Duell stand am Ende eine knappe 6:3 Punkteniederlage aus Sicht des Berners auf dem Tableau. Gemessen in Mannschaftspunkten jedoch ein toller Erfolg, da das 2:1 eine verkraftbare Wertung darstellte. 

 

Sprichwörtlich bis aufs Blut, setzte sich Qais Mohammadi in seinem Kampf gegen den starken Jonas Freier ein. Bereits nach wenigen Kampfsekunden zog er sich einen Cut am linken Auge zu. Zwar konnte die Blutung gestoppt und provisorisch verbunden werden, doch durch dieses Handicap konnte der erfahrene WAB-Athlet eine Niederlage nicht mehr verhindern. Er sicherte jedoch respektabel einen wertvollen Mannschaftspunkt und lieferte damit einen weiteren Beleg für seine bekanntermassen hohe Kampfmoral. 

 

Auch Enayat Bayat stellte erneut sein grosses Kämpferherz unter beweis. Insgesamt dreimal trat er gegen starke Gegner in der Gewichtsklasse bis 65kg auf die Matte und konnte trotz verletzungsbedingter Schwächung dank kämpferischer Leistung zwei Mannschaftspunkte erringen. Für ein Highlight in der Gewichtsklasse bis 65kg sorgte Sara Gonzalez! Mit unglaublicher Disziplin und Willensleistung schaffte sie es in der angestrebten Gewichtsklasse abzuwiegen und stellte sich im letzten Duell gegen den NRC Thalheim dem starken Jannis Christ (Kadetten Vize-Schweizermeister 2019)  gegenüber. Auch wenn sie die Niederlage nicht abwenden konnte, hat Sara den wahren Sieg bereits beim Abwiegen errungen. Insbesondere, da sie damit das Frauenteam innerhalb der WAB-Aufstellung auf insgesamt drei Athletinnen komplettierte. 

 

Ebenfalls im letzten Kampf gegen den NRC Thalheim zeigte Mahdi Abdollahi sein Können. Im griechisch-römischen Stil musste er gegen den starken Jonas Freier antreten und konnte die Niederlage leider nicht abwenden.  

 

Maximaler Wille, doch minimale Punkte im Schwergewicht

 

Die Gesamtbilanz im obersten Gewicht bis 130kg fällt mit 0:16 Punkten gegen die WAB leider sehr deutlich aus. An mangelndem Willen oder Kampfgeist der beiden WAB-Athleten Saifiullah Alokozai und Gabriele de Simone ist dieses Bilanz jedoch nicht festzumachen. Hier zeigte sich jedoch besonders deutlich der Erfahrungsvorsprung der gegnerischen Ringer, die routiniert einige Unaufmerksamkeiten der WAB-Athleten ausnutzen und so das Momentum auf die Seite des CO Domdidier bzw. des NRC Thalheim rissen. 

 

In der Gewichtsklasse bis 90kg fällt die Bilanz dank der Leistung von Carlo Lanfranchi besser aus. Besonders sein sensationeller Sieg im letzten Duell gegen den NRC Thalheim und den erfahrenen Reto Graf, muss besonders erwähnt werden. Abgesehen davon, dass Carlo mit diesem Sieg Revanche für seine knappe Niederlage vor zwei Wochen nehmen konnte, zeigte Carlo in diesem Duell auch seine technische Klasse. Eine saubere Viererwertung dank eines Suples-Wurf war der wichtigste Meilenstein zum 13:7 Punktesieg. Auch wenn er im Duell gegen Marc Kirchhofer (NRC Thalheim) und Thibaut Lambert (CO Domdidier) zuvor zwei Niederlagen hinnehmen musste, war dieser Sieg der verdiente Schlusspunkt des Wettkampftages von Carlo Lanfranchi. 

 

Der Tatsache, dass auch Gabriele de Simone im Gewicht bis 90kg abgewogen wurde, gebührt ebenfalls grössten Respekt. Der erfahrene WAB-Athlet, der vor wenigen Wochen noch ein dreistelliges Gewicht auf der Waage hatte, stellte sich sensationell in den Dienst der Mannschaft und tat sein Möglichstes, um das Ruder noch zu Gunsten der Berner herumzureissen. 


WAB - CO Domdidier (Hinrunde)

CO Domdidier - WAB (Rückrunde)

NRC Thalheim - WAB (Hinrunde)

WAB - NRC Thalheim (Rückrunde)



Die sportliche Bilanz ist damit gezogen. Das Ziel vom Halbfinale zwar verfehlt, doch auch der bevorstehende Kampf um Platz 5 beim "Finau daheime" am 25. Oktober 2020 wird mit ungebrochenem Siegeswillen angenommen. Diese moralische Leistung des noch jungen Teams und der starke Zusammenhalt sind beispielhaft. Innert zwei Wochen durften die Athletinnen und Athleten Momente des Erfolgs und Momente der Niederlage zusammen erleben und diese Erfahrungen sind auf lange Sicht unbezahlbar wertvoll. 

 

"Ihr habt als Kind alle gehen gelernt, weil ihr nach dem Fallen immer wieder aufgestanden seid. So wächst man." Dieses Schlusswort von Robert Harrer fasst die wichtigste Erkenntnis aus den vergangenen 14 Tage perfekt zusammen: Aufstehen und weitermachen. 

 

Ein herzlicher Dank gilt auch den Coaches Felix Faller, André Weber sowie dem Physio von Medbase Bern, Thomas Vetsch und unserer zuverlässigen Bus-Chauffeurin Andrea der Firma Dysli Bern.