Emotionales Herzschlag-Duell bei der letzten Heimrunde der Saison 2023

Die Vorzeichen deuteten nicht auf das hin, was sich am Samstagabend im Sportzentrum Füllerich in Gümligen abspielte. Das dominierende Team der bisherigen Saison, die RRTV Weinfelden, war bei der letzten WAB-Heimrunde der Saison zu Gast in Gümligen. Der klare Tabellenerste und Meisterschaftsanwärter traf auf das abgeschlagene Aufsteigerteam. Eine Mischung, die es in sich haben sollte. Spannung bis zum letzten Kampf und Emotionen pur!


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Der Traum vom Meistertitel auf der einen Seite. Der Traum vom ersten Sieg in der Swiss Wrestling Challenge League auf der anderen. Beide Teams hatten Gründe genug mit voller Motivation in diesen Wettkampfabend zu starten. Die RRTV Weinfelden, die bisher aus zehn Begegnungen ganze neun Siege für sich verbuchen konnte, hatte die Chance mit einem weiteren Sieg den Meistertitel klar zu machen. Auch im Falle einer Niederlage gegen die ambitionierten Berner, wäre mit Schützenhilfe der Ringerriege Brunnen der Meistertitel sicher gewesen, solange diese gegen die Ringerriege Tuggen gewinnen würde. 

 

Im Gegensatz dazu ist der Blick auf die Tabelle für das Aufsteigerteam der WAB schon seit einigen Wochen sekundär. Hier wird von Kampf zu Kampf geplant und der grosse Traum vom ersten Sieg in der ersten Challenge League Saison treibt die Athleten und das Trainerteam dazu an, jeden Samstag das Bestmögliche aus sich herauszuholen. 

 

Pünktlich um 20.00 Uhr war Showtime. Gleich im ersten Duell auf der Matte sorgte Loris Uhde für einen perfekten Auftakt für das Heimteam. Vor stimmungsvoller Kulisse, die besonders von der versammelten WAB Kids- und Jugendmannschaft akustisch gestaltet, aber auch von zahlreichen Fans und dem Anhang von Weinfelden angeheizt wurde, brachte Uhde die Halle ein erstes Mal zum kochen, als er nach weniger als einer Kampfminute sein Duell gegen den gleichaltrigen Tim Zürcher per Schultersieg für sich entscheiden konnte. 4:0 Mannschaftspunkte und die WAB in Front!

Die Antwort der Weinfelder liess jedoch nicht lange auf sich warten. Carlo Lanfranchi, der über die gesamte Saison hinweg durch starke Leistungen und einen kontinuierlichen Formaufbau überzeugte, musste sich dem bisher ungeschlagenen Jeremy Vollenweider entgegenstellen. Vollenweider, der in bisher acht Kämpfen immer siegte und nur zwei Mannschaftspunkte abgeben musste und auch sonst im Sägemehl, beim Nationalturnen und im Leben ganz allgemein ein grosser Kämpfer ist, entpuppte sich auch an diesem Abend als harter Brocken. Die beherzten Angriffsversuche von Lanfranchi wurden nicht belohnt und so lautete das Ergebnis erneut vorzeitig auf technische Überlegenheit für den Weinfelder Routinier. Ausgleich: 4:4 Mannschaftspunkte. 

 

Der Rest der ersten Halbzeit (nach 5 von 10 Kämpfen wird jeweils eine 20minütige Pause eingelegt) verlief daraufhin völlig gegen die ambitionierten Ziele der WAB-Auswahl. Zunächst brachte Ali Nabisoda im Gewicht bis 61kg Freistil eine bereits erzielte Punktewertung nicht über die Zeit. Er musste sich gegen Silvan Mühlethaler auf den Schultern geschlagen geben. Fabio Buffolino, der sich von Woche zu Woche sensationell steigert, gelang es zwar erstmals den Kampf über die gesamte Zeitdauer zu bestehen. Die ersehnte und aufopferungsvoll gesuchte Punktewertung blieb ihm gegen Niklas Blaser jedoch verwehrt.

 

Hochdramatisch verlief der Greco Kampf von Gino Gugolz. Der junge Einsiedler, der im Verlauf der Saison zu einem der Leistungsträger im WAB-Team avanciert ist und einen grossen Anteil an den bisher insgesamt errungenen Mannschaftspunkten hat, traf auf den Greco-Nationakader-Athleten Robin Birchler. Gugolz selbst ist ebenfalls im Nationalteam, jedoch im Freistil und war somit in diesem Aufeinandertreffen eher auf fremdem Terrain unterwegs. Diesen vermeintlichen Vorteil für den Weinfelder erstickte Gugolz jedoch bereits im Keim. Dank sensationeller Aktionen und einem leidenschaftlichen Kampf brachte er sich bis zur Halbzeit mit 5:0 Punkten in Front. Nach der Halbzeit gelang es ihm die zunehmenden Angriffe seines Gegners abzuwehren. Besonders eine starke Verteidigungsleistung am Boden von Gugolz sicherte ihm über lange Zeit eine 5:1 Punkteführung. Leider aus Sicht der Berner setzten der Weinfelder dann zu einem Kopfhüftwurf an, der auch gelang. Die vier Wertungspunkte wären verkraftbar und noch zu korrigieren gewesen. Leider machte Robin Birchler jedoch kurzen Prozess und fixierte den Einsiedler in Berner Farben auf den Schultern. Mit diesem Resultat stand nach fünf von zehn kämpfen eine recht deutliche 4:15 Mannschaftspunktewertung auf der Anzeigetafel. 

 

Der WAB-Auswahl, dem Trainerteam und auch den Fans war jedoch bewusst, dass rechnerisch noch maximal 20 Mannschaftspunkte zu holen waren und noch einige heisse Eisen im Feuer lagen. Dieser optimistischen Einstellung verlieh nach der Pause Mihail Franjev als erstes ein konkretes Gesicht. Das Duell gegen Robin Zwick war eine Neuauflage aus der Hinrunde. Damals standen sich beide Ringer bereits gegenüber und beendeten das Duell mit einem knappen 12:8 Punktesieg für den Weinfelder. Das Bedürfnis nach Revanche war auf Seiten des Berners also gross. Und es sollte ihm auch gelingen. Allerdings war der Kampfverlauf an Dramatik fast nicht zu überbieten. Franjev dominierte das Geschehen über weite Strecken. Eineinhalb Minuten vor Kampfende konnte er noch eine solide 12:4 Punkteführung für sich verbuchen. Doch die Aufholjagt des Weinfelders liess den Bernern zunehmend den Puls in die Höhe schnellen. Mit einer letzten Aktion wenige Sekunden vor Schluss gelang ihm gar der Ausgleich zum 12:12 und beinahe noch der Schultersieg. Die Uhr rettete Franjev und auch seinen verdienten Sieg, den er aufgrund der höheren Einzelwertungen für sich verbuchen konnte. Das er mit diesem intensiven Kampf und dem verdienten Sieg eine beispiellose Aufholjagt einläuten würde, war zu diesem Zeitpunkt noch niemandem Bewusst. 

 

Sami Safari, der erst jetzt zu seinem ersten Einsatz kam, da er erst vor wenigen Tagen die für eine Lizenzierung erforderliche Frist von zwei Jahren Aufenthalt in der Schweiz erfüllte, sorgte für den dritten Sieg der Berner an diesem Abend. Sein 7:1 Punktesieg gegen Gian Blaser wurde mit 3:1 Mannschaftspunkten zu Gunsten der WAB auf die Anzeigetafel übertragen. Zwischenstand zu diesem Zeitpunkt: 9 zu 17. 

 

Den stimmungstechnischen Siedepunkt des Abends erreichte die Füllerich Sporthalle beim Duell bis 80kg griechisch-römisch. Yagoub Boulariah trat dem Freiämter in Weinfelder-Farben Colin Brunner gegenüber. Der amtierende Junioren Schweizermeister und der begnadete Berner Greco-Ringer lieferten sich ein intensives Duell auf Augenhöhe. Der Endstand mit 4:4 Wertungspunkten sagte es bereits aus, dass es sich um einen äusserst knappen Kampf handelte. Der Weg dorthin war jedoch von vielen Unterbrechungen und Ermahnungen des Kampfrichters gegen Boulariah geprägt, der in dessen Ringstil verbotenes Halten der Handgelenke sowie unerlaubte Beinarbeit erkennen zu glaubte. Die emotional hoch engagierte Berner Cheftrainerin Nadine Pietschmann machte ihrem Unmut über diese Bewertungen lautstark Luft und handelte sich ihrerseits eine gelbe Karte ein, die ihr von Kampfrichter Manuel Meier (RC Willisau Lions) nach wiederholter Ermahnung zu Ruhe gezeigt wurde. Das 4 zu 4 führte dank der höheren Einzelwertungen verdient zum Punktesieg für Boulariah und brachte weitere 2:1 Mannschaftspunkte für die Berner auf die Anzeige. Zwei Kämpfe vor Schluss war die WAB damit auf erreichbare 11:18 Mannschaftspunkte herangerückt. 

 

Alain Heller war es im Gewicht bis 75kg griechisch-römisch, der die Möglichkeit der kleinen Sensation endgültig in den Fokus rückte. Der Willisauer in Diensten der Berner hatte in der bisherigen Saison das Wettkampfglück trotz starker Leistungen nicht immer auf seiner Seite. Auch in diesem Duell gegen Matti Eichmann war es kein Glück, sondern eine kompromisslose und starke Leistung. Unermüdlich setzte Heller Punktewertung für Punktewertung um und konnte den Kampf eineinhalb Minuten vor dem Ende durch technische Überlegenheit für sich entscheiden. Da er alle Versuche seines Gegners gekonnt abwehrte und keine Wertung abgab, standen 4:0 Punkte zu buche. 15:18 Mannschafspunkte ein Kampf vor Schluss.

 

 

Die Gewichtsklasse bis 75kg im Freistil musste die Entscheidung bringen. Allerdings war klar, dass Jonas Treier gegen Roger Junker über sich hinauswachsen müsste, um die erforderlichen 4:0 Mannschaftspunkte zu sichern. Besonders da der Weinfelder seinerseits mit nur einem Mannschaftspunkt den Kampf für die Thurgauer entscheiden konnte. Es entwickelte sich ein intensives Duell, das noch einmal repräsentativ für den gesamten Wettkampfabend stand. 30 Sekunden vor Schluss war der Kampf mit 8:8 Punkten ausgeglichen. Treier setzte zu einem letzten Angriff an, um die Entscheidung noch zu erzwingen, doch der routinierte Weinfelder konterte die Aktion und sicherte sich die Viererwertung zum Schlussresultat von 8:12 Punkten. Dennoch ein starker Schlusspunkt eines unvergesslichen Wettkampfabends für die junge Berner Mannschaft. 

Die knappe 16:20 Niederlage bedeutete den zehnten Sieg für die RRTV Weinfelden und damit den mehr als verdienten Meistertitel in der Swiss Wrestling Challenge League 2023. Die gesamte WAB-Familie gratuliert herzlich zu dieser starken Saisonleistung. 

 

"Selten hat sich eine Niederlage so sehr nach einem Sieg angefühlt. Wir konnten gemessen an der Anzahl gewonnener Einzelkämpfe dem nun gekrönten Schweizermeister ein 5 zu 5 abverlangen. Die moralische Leistung der Mannschaft nach der unglücklichen ersten Hälfte mit vier aufeinanderfolgenden Siegen im zweiten Teil zu antworten, ist einfach sensationell", kommentiert Team-Manager Robin Pietschmann das Resultat wenige Sekunden nach Ende der Begegnung. "Wir hatten eine geniale Stimmung in der Halle. Die WAB-Kids und unser zahlreiches Publikum haben einen ganz wichtigen Beitrag dazu geleistet, dass unsere Jungs heute über sich hinauswachsen konnten". 

 

Die WAB hat nun in der kommenden Woche Pause und tritt am 25. November ein letztes Mal in dieser Saison auswärts gegen die Ringerriege Tuggen auf die Matte. Der Traum vom ersten Sieg in der Premieren-Saison lebt also weiter.